lauftagebuch

Der WOW-Lauf beim Bodensee Frauenlauf 2014

Müsste ich diesen Lauf mit einem Wort beschreiben, dann wär’s einfach nur: WOW!

Sowas wie gestern habe ich noch nie erlebt. Alles, was ich bei meinem 1. Frauenlauf 2012 an zweifelhaftem Feedback geerntet habe, habe ich gestern in doppelt und dreifacher Form POSITIV zurückbekommen. Und das lag an meinem tollen Team!

Die WOW-Frauen: 

Cindy, Karin, Seline, Kerstin, Andrea, Marlene, Rikke und Yvonne – alle unterschiedlich und doch viel gemeinsam: die Freude am Frauenlauf und den Teamgeist! Nicht zu vergessen die beiden fabelhaften Journalistinnen, die uns begleitet haben: Marlies von den Vorarlberger Nachrichten und Susi von der Schwäbischen Zeitung. Es war eine Wahnsinns-Truppe, mit der ich die Shoppingmesse des Bodensee-Frauenlaufs gestürmt habe. Gemeinsam waren wir anschließend beim offiziellen Fotoshooting und stellten fest, dass Andreas Hosenbund seinen Dienst nicht mehr tun wollte. Aber wozu waren wir auf einer sportlichen Shopping-Messe? Schnell noch eine neue Hose für Andrea organisiert und nagelneue pinke Kompressionsstrümpfe fanden auch die dazu passenden Waden in unserer Gruppe.

Der WOW-Lauf: 

Wie angekündigt, starteten wir ganz am Ende auf der Lindauer Seebrücke. Hinter uns war niemand mehr außer dem Einsatzfahrzeug vom BRK. Ich durfte offiziell mit einer „Ihr seid spitze“-Fahne auf dem Rücken das Feld abschließen und so liefen wir los. Die Turtletruppe teilte sich bereits zu Beginn in zwei Felder: die Speed-Turtles mit Cindy, Rikke, Andrea, Seline und VN-Redakteurin Marlies führten das Feld an und waren relativ zügig außer Sichtweite. Karin, Kerstin, Marlene, ihre Mutter Yvonne und ich bildeten das Schlusslicht und pendelten uns bei einem konstanten Pace von 9:45 ein. Hinter uns ständig das BRK, teilweise 2 Polizeiautos, THW und weiteres Gefolge.

Für mich war das sehr spannend, da es exakt das Tempo war, das ich bereits vor 2 Jahren bei meinem Debüt lief. Damals mit einem Puls von über 170 und argen körperlichen Problemen. Heute mit einem Puls von 155 (dank der ganzen Aufregung) und einer körperlichen Fitness, die es mir erlaubte, endlich die wunderschöne Strecke zu genießen. Spannend, die Mädels zu begleiten, die teils verblüffend ähnlich fit waren, wie ich damals. Und noch viel verblüffender waren die Reaktionen der Zuschauer. Es waren nicht mehr viele da, wo wir auch hinkamen. Aber die, die noch da waren, die klatschten, feuerten uns an und trieben unseren Puls in die Höhe. Nach 6 Kilometern lachte Marlene, dass sie schon Muskelkater habe – im Gesicht vor lauter Lachen! Vier nette, junge Herren im Schrebergarten direkt an der Strecke boten uns kalte Getränke an – ein paar ausgeflippte Zaungäste sorgten für Party – und am Kaiserstrand gab es sogar eine LaOla-Welle für uns mit Dusche aus dem Gartenschlauch für jede einzelne von uns.

Wir hatten unseren persönlichen Betreuer, von dem ich leider nicht weiß, wer er ist oder wie er heißt, aber falls er mitliest: DANKE! Er hat hinter uns die Strecke abgeräumt, die Schilder abgenommen und vor uns dafür gesorgt, dass wir wissen, wo wir hin müssen, hat den Weg für uns frei gemacht und als wir auf die Seebühne getrabt sind, lief er voraus und rief laut: „Achtung! Achtung! Aus dem Weg!“ – sowas kannte ich bisher nur von den schnellen Läufern, für die der Weg freigemacht wird. Gestern wurde der Weg für uns freigemacht. Ich habe mich wirklich noch nie so besonders gefühlt beim Laufen – im positiven Sinne! Bei Kilometer 8 wartete Speed-Turtle Andrea auf uns, die meinte, sie will den Rest mit uns gemeinsam laufen. Sie war so begeistert von ihrem Lauf, dass sie mir erzählte: „Die Hemmschwelle, an solchen Veranstaltungen teilzunehmen, die ist jetzt weg. Ich lauf weiter!“ Ach, ich hätte grad heulen können, so schön war das.

Bei Kilometer 9 liefen Marlene und ihre Mama Yvonne vor mir, als aus der Menge am Rand plötzlich Hannes, Marlenes Papa und Yvonnes Mann, heraustritt. Zusammen mit ihnen läuft er Richtung Casino-Stadion – so stolz auf seine beiden Frauen, die heute zum ersten Mal 10 Kilometer liefen und bis zuletzt nicht sicher waren, ob sie es schaffen! Das war ein Bild, kann ich euch sagen …

Kerstin, die überhaupt zum allerersten Mal solch eine Strecke lief, kämpfte bis zum Schluss! Und hat es geschafft, gemeinsam mit Karins Unterstützung, die ständig dafür sorgte, dass sie nicht alleine lief. Beständig zwei Meter vor dem Wagen des BRK liefen die beiden von Lindau nach Bregenz.

Und dann liefen wir auf den Eingangsbogen vom Casino-Stadion zu – ein motorisierter Streckenposten hupte, fuhr vor uns her und kündigte uns an – und plötzlich waren auch die anderen wieder da: Seline, Cindy und Rikke holten uns ab. Wir fassten uns an den Händen und liefen auf unseren letzten Metern durchs Casino-Stadion – angefeuert von Daniela und Michaela und Evi, meinen neuen Bodensee-Frauenlauf-Freundinnen, die ich auf der Pressekonferenz kennengelernt hatte. Die machten vielleicht einen Lärm für uns, ärger als der Rest des Stadions 😉

Wir alle liefen in 1 Stunde, 39 Minuten und ein paar Sekunden ins Ziel – die Zielzeitvorstellung lag bei den meisten übrigens bei rund 2 Stunden. Es war einfach großartig! Mit nichts zu vergleichen – ich habe so etwas wirklich noch nie erlebt. Und auch wenn ich weiß, dass ich mir am 21.6.2014 beim Wälderlauf mal wieder alles abverlangen werde, muss ich sagen: das will ich wieder! Turtlerun mit Fahne auf dem Rücken, das bewusste Schlusslicht sein, andere Frauen (gerne auch Männer) begleiten bei ihren Schritten ins Wettlauf-Geschehen … das ist wirklich mein Ding!

Zieleinlauf!

Und jetzt wird’s Zeit für ein paar Dankeschöns:

Allen voran Verena und Patricia, den beiden Schwestern, die den Bodensee Frauenlauf gegründet haben. Ihr beide seid so dermaßen spitze und ich danke euch von ganzem Herzen, dass ihr mir/uns diese Möglichkeit geboten habt! Wir bewegen damit so viel mehr, als man auf den ersten Blick sieht. Ihr lebt euer Motto, dass bei eurem Frauenlauf jede Frau eine Siegerin ist. Wirklich jede. Auch die, die erst 30 Minuten später als alle anderen ins Ziel kommt. Das würde ich mir noch für ganz viele Läufe auf dieser Welt wünschen. Dass ihr mich so gefördert habt und sogar noch mit einer offiziellen Frauenlauffahne habt laufen lassen, das vergesse ich euch nie und ich bin so dankbar, dass dieses Mal Frauen mitlaufen konnte, die sich das sonst niemals getraut hätten und die ich mit einem Selbstbewusstsein begleiten konnte, das ich sonst nie entwickelt hätte, einfach weil ich wusste, es ist von euch aus vollkommen in Ordnung, dass wir so langsam sind! DANKE!

Den Streckenposten und dem BRK-Team, die uns über 10 Kilometer mit einer stoischen Ruhe begleitet haben. Die gebremst und gewartet haben, als Kerstin sich nach 2 Kilometern den Schuh wieder binden musste. Die ständig da waren, die uns den Weg freigeräumt und hinter uns aufgeräumt haben. Die an den Wasserständen noch warteten, mit einem Becher Wasser und einem Gartenschlauch. Die, obwohl sie wegen uns Überstunden machen mussten, applaudiert haben, als wir ankamen (möglicherweise auch aus Erleichterung, dass endlich Feierabend ist, haha …)  – es war toll, euch in unserem Rücken zu wissen und sorgte für ein gewisses Gefühl der Sicherheit (gut, ein wenig Verfolgungswahn war evtl. auch dabei).

Den Zuschauern am Straßenrand, die immer noch da waren und für jeden von uns noch einen aufmunternden Spruch parat hatten. Die applaudiert haben, gelacht haben und uns angefeuert haben. Und besonders danke ich jenem Mann, dem ich ein neues Judith-Zitat verdanke, das mir völlig spontan entwich, als er fragte, ob wir zwischendrin einkehren waren, denn wir würden noch so frisch aussehen. „Tja, so ist das“, habe ich geantwortet, „Wer langsamer läuft, ist länger frisch!“

Unseren beiden bewegten Journalistinnen Susi und Marlies. Die uns beide auf ihre Weise und in ihrem Tempo begleitet haben, die es sich nicht nehmen lassen, von dieser Aktion in der lokalen Presse zu berichten. Und das obwohl wir so gar nicht der Norm entsprechen. Heutzutage gewinnt meist der, der schneller, höher, weiter kann – und landet damit auch in den Nachrichten. Ihr beide macht es möglich, dass eine Zeitlang auch mal die in den Lokalnachrichten landen, die genau das nicht sind. Danke euch von ganzem Herzen dafür und ich war gestern sehr stolz, euch in unserem Team zu haben!

Das Schlusswort überlasse ich heute meinem 5-jährigen Neffen Constantin. Der mich mit großen Augen am Abend ansah, als ich mit der Medaille nach Hause kam und fragte:

„Bist du die Erste geworden, Tante Judith?“

„Nein, Schatz, ich bin die letzte geworden.“

„Bist du Dritte geworden?“

„Nein, Constantin, letzte.“

Er überlegt kurz und meint dann: „Aber vielleicht könntest du beim nächsten Mal die Zweite werden. Wenn du etwas mehr übst.“ 

Irgendwann erkläre ich ihm vielleicht, dass man auch als Letzte die Erste sein kann. Aber nicht heute.

 

 

10 Kommentare

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