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Ruhe im Kopf oder die Kehrseiten-Depression

Heute ist so ein Tag. An dem gar nix funktioniert. An dem mir mal wieder bewusst wird, dass ich ja sowas von kilometerweit weg bin von einem Marathon, dass es beinahe schon wieder lustig ist. Aber auch nur beinahe. Heute ist nämlich nix lustig. Ich bin stinkig!

Ich habe zu viele Dinge in meinem Kopf, die mich verrückt machen. Leider lässt sich das Ding einfach nicht abschalten. Möglicherweise würde es funktionieren, wenn ich Kilometer um Kilometer laufen könnte und irgendwann schaltet der Kopf ab und nur noch der Körper rennt. Problem: ich kann nicht solange laufen! Mein Hirn macht mich wahnsinnig. Ständig denkt es. Ständig!

Das ist manchmal hilfreich, aber manchmal auch nicht. Kürzlich im Fitness-Studio, lag ich auf der Matte und begann mit meinen Stabi-Übungen. Klingelt neben mir ein Handy. Nicht meins. Sportlicher Typ Nr. 1, auf der Beinpresse sitzend, beginnt zu telefonieren. Ich ringe weiter um die Stabilität meiner Körpermitte. Klingelt das nächste Handy. Wieder nicht meins. Hätte mich auch gewundert, denn meins ist aus, während ich trainiere. Halbsportlicher Typ Nr. 2, rücklings auf der Matte bei den Bauchübungen, führt ein genervtes Telefongespräch. Mich nervt‘s inzwischen auch.
Unsportlicher Typ Nr. 3 sitzt zeitunglesend auf dem Spinningbike. Bitte, das ist ja schon ein Widerspruch in sich! Spinning und Zeitunglesen sind 2 Dinge, die sich konsequent ausschließen. Zumindest sollten sie das. Und dann geschah etwas völlig Unvorhersehbares: sein Handy klingelte! Schlussendlich, saß er, zeitunglesend und telefonierend, auf einem Spinningbike und jammerte, wie anstrengend es ist, ins Fitness-Studio zu gehen. Kann ich nur bestätigen! Wenn auch aus anderen Gründen. Vermutlich.

Was ist los mit den Menschen? Gibt es heute keine Dinge mehr, die man mit ganzem Herzen tut? Oder zumindest ohne Telefon? Krafttraining oder überhaupt Training ist nicht immer Spaß und Gaudi, schon klar. Aber wenn es mich so nervt, dass ich jede Gelegenheit wahrnehme, mich davon ablenken zu lassen, läuft dann nicht was verkehrt?

Ich habe festgestellt, dass ich sogar zum Laufen eine gewisse „Grundruhe“ brauche. Mein Puls reagiert auf meine Gedanken. Wie grässlich. Denn davon fliegen viele in meinem Kopf rum. Ständig. Aber das hatten wir ja schon. Jedenfalls verläuft eine Laufeinheit sehr unterschiedlich, je nachdem, ob ich in Ruhe von zuhause weglaufe oder ob mir während der ersten 5 Minuten jemand begegnet, der meint, sich mit mir unterhalten zu müssen – oder ich denke, es wäre angebracht ein paar Worte zu wechseln. Könnte manchmal etwas unsozial rüberkommen, wenn man einfach so vorbeiprescht, mit Blick auf die Pulsuhr, ohne einen Ton zu sagen, weil das eventuell wieder ein Piepsen derselbigen auslösen könnte.

Wenn ich also jemanden treffe, der etwas Konversation pflegen möchte – und sei es nur 1-2 Sätze, die man halt so sagt, dann passiert etwas mit meinem Puls. Er schießt nach oben. Nicht gravierend, aber doch bemerkenswert. Und da bleibt er eine ganze Weile. Ungefähr so lange, wie ich in Gedanken bei derjenigen Person bleibe, die mich irgendwie aufregt. Zumindest unbewusst. Ich atme hektischer und ich komme dann einfach nicht in meinen Tritt. Das „Gespäch“ ist dann vielleicht schon 5 Minuten vorbei und ich bin schon fast 1 Kilometer entfernt (jaaaa, klar – aber nicht in diesem Universum – ich und ein 5-Minuten-Pace funktioniert nur, wenn die Gesetze der Schwerkraft auf einmal ihre Meinung ändern). So geschehen übrigens auch letzten Samstag. Mein bisher längster Lauf stand auf dem Plan: 105 Minuten. Oder 1 Stunde und 45 Minuten.

Ich hatte eine Route geplant über zig Kilometer, mit 500 Abwärtshöhenmetern und dachte, diesmal werde ich schnell(er) sein. Geht ja schließlich nur abwärts. Aber irgendwie kam alles anders. Erst das Gespräch, das mich verfolgte, der springende Puls, ein Nachbar, der mir noch mitteilte, dass er mich unglaublich fleißig findet (danke übrigens, finde ich auch, hatte nur keine Luft zum Antworten) und nach 3 Kilometern stand ich auf dem Schrottplatz.

An dem die Route, die ich noch nie zuvor gelaufen bin, vorbeiführte. Nur habe ich noch nie in meinem Leben sowas gesehen. Der Platz strahlte etwas aus, das ich ganz und gar nicht nett fand. Tod, Stillstand. Müll, Abfall. Feindseligkeit. Überall Schilder, die mir sagten, dass ich hier nichts verloren hatte – wohlgemerkt, ich war auf einem offiziellen Wanderweg unterwegs. Die ganze Atmosphäre war irgendwie gruslig. So ähnlich wie bei Stephen King‘s „Es“ und dem Schrottplatz mit dem Kühlschrank, in dem die … Ahh, nein! Schon wieder Gedanken. Aus, aus, aus. Puls also wieder nach oben und ich machte mich daran, so schnell wie möglich, dieses Gelände zu verlassen und begann meinen Abstieg der 500 Höhenmeter. Verteilt auf etwa 1-2 Kilometer. Könnt ihr euch vielleicht ungefähr vorstellen. Ich bin dann runtergelaufen. Ja, gelaufen – nicht gegangen. Und ich musste unglaublich bremsen, denn die Schwungmasse und die Schwerkraft hatten sich verbündet. Ich hätte genauso gut runterrollen können. Hätte mir einige Unannehmlichkeiten erspart. Denn, heute an Tag 2 nach dieser Tortur, habe ich eine postdepressive linke Pobacke. Die musste wohl besonders viel bremsen, wie es scheint. Jedenfalls habe ich zum ersten Mal seit langem in meinem Läuferleben wieder einmal Schmerzen. Welcome back!

Und vielleicht bin ich deswegen so stinkig. Ich kann grad nicht so laufen, wie ich es normalerweise tue. Zum Slow-Motion-Gang kommt jetzt noch ein leichtes Hinken dazu, das mir meine illusionäre Leichtigkeit und das Fluggefühl raubt. Ich fühle mich jetzt beim Laufen also so, wie ich vermutlich in Wirklichkeit schon immer aussehe, wenn ich laufe, nur dass ich es nie gemerkt habe. Dementsprechend wollten sich heute mein kreisenden Gedanken rund um telefonierende Multi-Tasking-Sportler, feindselige Schrottplätze und schmerzende Kehrseiten einfach nicht in Luft auflösen. Na gut, als Alternative bleibt dann immer noch der Blog. Müsst halt ihr unter meiner Gedankenverstopfung leiden. Bleibt nur zu hoffen, dass ich bis Mittwoch, wenn der nächste Lauf ist, etwas fitter bin und das Fluggefühl zurückkommt. Ganz zu schweigen von Samstag, für den ich nochmal so einen Downhill-Lauf geplant habe. Vielleicht kommt dann die rechte Pobacke zum Zug – dann wär‘s wenigstens wieder ausgeglichen. Denn das ist es, was grad fehlt. Ausgeglichenheit. Ich glaube, ich geh mal auf einem Bein hüpfen. Natürlich rechts. Vielleicht hilft‘s.

12 Kilometer später ...

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