lauftagebuch

Slow down – die Entdeckung der Langsamkeit

Als ich anfing zu laufen, habe ich bereits die Langsamkeit für mich entdeckt. Kein Wunder, denn viel anderes gab es für mich nicht zu entdecken. Und nach meinem letzten Wettlauf am vergangenen Samstag, begann ich wieder mal nachzudenken. Den irgendwas stimmte nicht mehr.

Ich fühlte mich nicht gut. Ok, ich war gerade erkältet und musste ein paar Tage Laufpause einlegen, was auch nicht gerade förderlich für mein Wohlbefinden war. Und so stand ich also zwischen sportlich gekleideten Menschen, die sich in 2-er Teams gruppierten und dachte mir mal wieder:

Wieso tust du dir diesen Mist eigentlich an?

Dann begann das Warmlaufen. Dann begann der Countdown der letzten 60 Sekunden und ich hörte auf, nachzudenken. Dann ertönte der Startschuss. Ich lief los, denn ich durfte die erste Runde absolvieren. 800 Meter, danach Wechsel mit dem Teampartner, der die 2. Runde lief. Ich rannte also und war nach kurzer Zeit in meinem GA3-Bereich bei rund 175 Schlägen pro Minute. Ich fühlte mich gar nicht so schlecht. Die 800 Meter waren bald geschafft und insgesamt lief ich 7 Runden, mein Mann 6 Runden. Als Team schafften wir 13 Runden für den guten Zweck und sicherten uns damit den 8. Platz in unserer Altersklasse. Insgesamt gab es neun.

Ich bin also gerannt wie der Teufel. Herzklopfen bis zum Anschlag. Und wurde mit dieser Leistung Vorletzte. Ich würde ja gern sagen, es lag an meinem Mann – aber das ist nicht so. Hätte er mich nicht an der Backe gehabt, hätte der bestimmt noch 2-3 Runden draufgelegt. Zuhause war ich dann total gestresst und überlegte mir Dinge, wie:

  • Sind bei solchen Läufen denn nur überdurchschnittlich gute Läufer dabei?
  • Oder bin ich einfach so schlecht?
  • Und wenn ich so schlecht bin, dann bin ich damit doch nicht allein auf der Welt?
  • Wo sind all die andern langsamen Läufer?
  • Nehmen die nicht an solchen Läufen teil?
  • Wieso denn nicht?
  • Trauen sie sich nicht?
  • Weil sie dann möglicherweise letzter oder vorletzter wären?
  • Was ist hier eigentlich los?

Ich habe die letzte Zeit versucht, einer Zeit hinterherzurennen, die ich (noch) nicht in der Lage bin zu schaffen. Mein Traum war es, beim Frauenlauf die 10 Kilometer unter 60 Minuten zu schaffen. Und wieso will ich das?

Ehrlich gesagt, habe ich keine Ahnung.

Denn ich habe als langsame Läuferin angefangen und mein Wunsch war es immer, anderen langsamen Läufern Mut zu machen. Damit sie auch mitlaufen, damit wir uns gemeinsam am Ende der Wertungszeiten wiederfinden. Und das Paradoxe ist ja: Sogar wenn ich die 10 Kilometer unter 60 Minuten schaffen würde – sogar dann wäre ich nur im Mittelfeld, allerhöchstens.

Und mal ehrlich: im Mittelfeld gibt es sooooo viele! Da braucht’s mich nicht auch noch.

Ich bleibe lieber hinten, genieße meine Zeit und meine Läufe und habe viel länger was vom Wettkampf, von der Strecke, von den Leuten, von der Atmosphäre. Denn, wie ein weiser Mann kürzlich via Facebook zu mir sagte:

Warum sollte ich die Zeit, die ich damit verbringe, meiner Lieblingsbeschäftigung, dem Laufen, nachzugehen, unbedingt so schnell wie möglich hinter mich bringen?

Und damit hat er sowas von recht. Und er hat mich dazu gebracht, mich wieder zu erinnern, wie ich eigentlich angefangen habe. Was „mein Ding“ war. Ich bin langsam. Und das ist gut so.

Heißt das jetzt, dass ich mich nicht mehr im grenzüberschreitenden Training der Grausamkeiten anstrengen werde? Heißt das, dass ich beim Frauenlauf nicht in der Gruppe der 60-Minuten-Ladies mitlaufen werde?

Nein, das heißt es nicht! Ich werde mich anstrengen und ich werde mit der fabelhaften Gabi als Pacemakerin beim Frauenlauf in der 60-Minuten-Gruppe starten. Aber wenn es mich zwischendrin überkommt, dass ich denke, ein wenig langsamer wäre auch ganz nett, dann werde ich dem nachgeben. Und wenn das heißt, dass die Gruppe mich abhängt, dann wird das so sein. Und wenn das heißt, dass ich ganz alleine nach 1 Stunde und 20 Minuten durch das Ziel laufe, wenn vielleicht keiner mehr da ist, dann wird das so sein. Und es wird gut sein.

Und an dieser Stelle möchte ich dem Frauenlauf-Team einen Vorschlag machen: beim nächsten Mal Frauenlauf macht doch bitte bei der 10-km-Strecke nach dem letzten Startblock D (der für die 60-Minuten-Ladies ist) noch einen weiteren. Einen Block T für Turtlerunner. Denn auf den ersten Blick könnte man meinen, nach Block D gibt es nichts mehr. Sprich, die 60-Minuten-Läufer sind sowieso schon die Langsamsten. Hätte ich nicht schon mehrjährige Erfahrung als Schlusslicht eines jeden Laufes, dann würde ich mich niemals trauen, mich für diesen Lauf anzumelden, da ich befürchtete, ich müsste mindestens in die Gruppe D passen. Aber es gibt noch so viele Buchstaben im Alphabet und es wäre schön, wenn es für die, die nicht ins Schema passen auch einen eigenen Startblock gibt.

Nix für ungut, Ladies. Einmal Turtlerunner, immer Turtlerunner! 

An dieser Stelle nochmal danke an Isa, Ariane, Ina und meinen Mann, die am letzten Samstag beim Teamlauf in Oberreitnau mit mir gekämpft haben – wir waren alle spitzenmäßig!

Girls, Girls, Girls - on the run!

 

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