lauftagebuch

1. Bizauer Traillauf – und mein erster auch

Manche Wege sind unergründlich und einer davon führte mich letztes Wochenende nach Bizau im Bregenzerwald und zu meinem ersten Trailrun. Zeitgleich war es auch für den SV Bizau, der das Event organisierte, die Premiere und so hatten wir alle dieselben Startbedingungen: keiner wusste, was ihn erwartete.

In meinem Fall war das auch gut so. Denn ich durfte feststellen, dass ich durchaus über mich hinauswachse, wenn ich keine andere Wahl habe. Falls jetzt aufgrund dieser Aussage einer auf die euphorische Idee kommt, ich hätte eventuell eine tolle Platzierung erreicht, muss ich ihn enttäuschen. Ich bin mal wieder Letzte geworden – aber das mit sehr viel Spaß und einer Anstrengung, die mich an die absolute Grenze meiner körperlichen Möglichkeiten geführt hat. Ich habe das Beste gegeben, was ich an dem Tag zu bieten hatte – und das reichte für den letzten Platz.

Aber nun zu den Fakten:

Erlebnistrail: Kleiner Lauf – großes Erlebnis

Ich habe mich für den „kleinen“ Traillauf – den „Erlebnistrail“ mit 7,6 Kilometer und 340 Höhenmetern angemeldet. Der große Bruder des kleinen Laufs wären dann übrigens 30,5 Kilometer und 1600 Höhenmeter. Über 200 Teilnehmer starten bei dieser ersten Ausgabe des Bizauer Trailruns und als der Startschuss ertönt, setzt sich das überschaubare Grüppchen in Bewegung. Bergauf. In meinem Turtletempo dauert das Anfangsszenario – bis der erste Anstieg geschafft ist – sage und schreibe: 20 Minuten! Ich vermute, die ersten Läufer hatten es nach gut 7 Minuten geschafft. Der Weg führt erst über einen breiten Schotterweg in den Wald, dort über einen schmalen Trail mit Wurzeln und Waldboden (und steilem Abhang rechtsseitig) wieder auf zurück auf Schotterweg. Schlussläufer Kurt (ja, das gibt es hier – toll, oder?), der die 30-km-Läufer begleitet, stöckelt munter hinter uns her (also mit seinen Stöcken selbstverständlich) und bringt mich dazu, schneller zu gehen (laufen ist bei mir nicht mehr möglich bei dieser Steigung – bin ja mehr der Kurzstrecken-Bergläufer … hüstel …) als ich eigentlich will, denn ich möchte nicht eingeholt werden, geschweige denn, dass er wegen mir langsamer machen muss, als er es sowieso schon tut. Im Waldstück werde ich dann von den letzten Läufern überholt und auf dem Plateau angekommen gabelt sich der Weg und auch Kurt verlässt mich frohen Mutes in Richtung der 30-km-Strecke.

Zu diesem Zeitpunkt schicke ich meinen Mann in die Wüste. Okay, nicht wirklich. Ich schicke ihn eher in die Berge und zwinge ihn, ohne mich vorauszulaufen. Ich bin wesentlich entspannter, wenn ich mir nicht ständig anhören musste, dass ich zu große Schritte mache und, und, und … er saust also von dannen und ich bin mit mir und zwei weiteren Ladies alleine am Ende des Feldes.

Waldabenteuer oder How to hug a tree

Dort lerne ich meine Personal Trail Assistentin Nina kennen, die mit flottem Schritt dahin marschiert und auffälligerweise gar nicht läuft. Das ist mir schon mal sehr sympathisch. Nina kennt die Strecke, da sie in der Gegend aufgewachsen ist und bereits als Kind auf unserem Trailpfad gespielt hat. Viel praktischer geht es also kaum und ich muss gestehen: Ohne Nina hätte ich auf der Strecke teilweise echt alt ausgesehen und vermutlich würde ich heute noch in den Bizauer Wäldern herumirren. Okay, das ist übertrieben, aber ich war sehr froh, dass Nina, die mit einer Knieverletzung kämpft und deswegen nicht laufen darf, mich begleitet. Die Sache ist also ziemlich klar, dass sie und ich als letzte ins Ziel gehen. Bis dorthin haben wir aber noch einige Abenteuer zu bestehen.

Solltet ihr zu der Sorte Mensch gehören, die gerne mal einen Baum umarmen würden, es sich aber noch nie getraut haben, weil es einfach zu peinlich wäre, wenn das jemand mitkriegt: Lauft nächstes Jahr beim Traillauf mit! Dort könnt ihr ungeniert zig Bäume umarmen, weil ihr anders die steilen Waldwege (die keine sind, weil das Wort „Weg“ hier völlig deplatziert ist) gar nicht runterkommt. „Geht’s?“ ruft Nina über die Schulter. „Ich brauch einen Baum“, keuche ich.

Wir kämpfen uns durch Schlamm wieder den Buckel hoch – es sieht so aus, als hätte hier vor nicht allzu langer Zeit eine Runde Schlamm-Catchen stattgefunden – meine Salomon Speedcross 3, die ich extra für den Lauf gekauft habe, zahlen sich aus. Die halten und halten und halten. Nur auf einem nassen Baumstumpf gibt es auch für sie kein Halten mehr, ich rutsche und lande wieder auf den Füssen. Umpf. Glück gehabt. Wir klettern über Baumstämme, trippeln seitwärts über Wurzeln und Steine und nasses Laub, wieder den Berg hinab. Gibt es wirklich Menschen, die hier laufen?

Berggams-Feeling inklusive

Und es geht wieder bergauf! Himmel, nimmt das denn kein Ende? Wieso bin ich hier und was zum Teufel mache ich mitten im Wald? „Jetzt müssen wir zu dem Felsen da hoch“, erklärt mir Nina. Ich blicke nach oben und sehe nur Bäume. Und ganz weit entfernt sowas wie ein graues Massiv. „Okay“, murmle ich. Alleine hätte ich vielleicht schon wieder umgedreht, aber mit eigener Trailassistentin gibt man sich die Blöße natürlich nicht. Von oben hören wir Stimmen, es kommen uns zwei Wanderer entgegen. Wir sind am Felsen und plötzlich bleibt Nina stehen. „Auch das noch“, sagt sie. Ich blicke verwirrt um mich. Was ist denn los? Ich war so beschäftigt mit Atmen und schmerzenden Muskeln, dass ich gar nicht gemerkt hatte, dass wir bereits oben sind. Und zwar vor einem Stahlseil, das am Felsen entlang gespannt ist – um sich festzuhalten, denn auf den Weg oben kommt nur, wer über massives Felsgestein klettert – wie eine Bergziege. Oben steht jemand von den Lauforganisatoren und überwacht das Geschehen, denn an dieser Stelle ist die Gefahr groß, dass was passiert. „Ach, du Sch …“, rutscht es mir raus. Am liebsten würde ich auf allen Vieren da hochklettern. Ich greife mir beherzt das Seil und ziehe mich mit aller Kraft, die ich aufbieten kann Stein über Stein – einer ist so hoch, dass ich das Bein richtig hochziehen muss, um es draufzustellen und dann mit Schwung aus der Pobacke nach oben. Aua, das schreit nach Muskelkater!

„Ihr macht das spitze! Respekt vor jedem, der hier mitläuft“, sagt der Streckenposten. „Wir sind aber die Letzten“, erklärt die Dame, die schlussendlich ein paar Minuten vor Nina und mir ins Ziel kommen sollte. „Und? Ihr seid die komplette Strecke gelaufen – im Gegensatz zu mir. Ich steh hier nur rum und warte, wer noch kommt. Das habt ihr spitze gemacht!“ So motiviert laufen wir weiter – Nina holt sich noch einen Schluck Wasser von unserem Streckenbewacher, denn eine Labstation (so nannte sich das bei diesem Lauf und ich finde das unglaublich nett) gibt es hier leider keine mehr. Dabei hätten wir nach diesem „Aufstieg“ ordentlich Durst gehabt.

Das Beste kommt immer zum Schluss

Zwischendurch stoßen wir auf den ein oder anderen Menschen, der unsere Startnummern notiert, um zu sehen, ob auch alle vorbeikommen – oder ob vielleicht doch noch einer im Wald herumirrt. Überall muntert man uns auf und motiviert uns, weiterzulaufen und das es nicht mehr weit sei. Und wirklich: plötzlich sind wir raus aus dem Wald, sind wieder oberhalb des Fußballstadions des SV Bizau und laufen die letzten 300 Meter auf Teer- und Schottenwegen zurück zum Ziel. Bevor wir dort sind, holt uns mein Mann ab und hilft mir, nicht doch noch kurz vor dem Ziel aufzugeben (ist ja so eine etwas doofe Angewohnheit meines Körpers bei Anblick des Ziels einfach mal kurz den Strom abzustellen). Mein Knie schmerz plötzlich auf dem Asphalt und ich schleppe mich weiter. Das Ziel ist in Sicht, Nina läuft voraus, der Stadionsprecher hat alle Zeit der Welt, um uns anzukündigen und die Menschen im Ziel freuen sich mit uns. Mein Mann läuft zum zweiten Mal über die Ziellinie und der Stadionsprecher bemerkt sein Shirt. „Das Beste kommt immer zum Schluss“, liest er laut ins Mikrofon und lacht. „Das T-Shirt gefällt mir!“

Ja, uns auch. 😉

Gurken und Holdersaft

Und dann kommt das Schönste: die Verpflegung hinterher. Es gibt Hol(und)dersaft, Gurken, Bananen und Salzbrezel. In der Kombi hatte ich das noch nie bei einem Lauf – aber ich muss sagen: saulecker! Die Mitglieder des SV Bizau erkundigten sich persönlich nach meinem Wohlbefinden (ich hatte ja zuvor eine Mail geschrieben und gefragt, ob es passt, wenn ich auch als Turtle dort mitlaufe) und es war ein ganz tolles Gefühl, dort im Ziel zu sein. Die Veranstaltung ist super organisiert, es sind unglaublich nette Leute, die sich um dich kümmern und ich glaube und prophezeie: nächstes Jahr sind da mindestens doppelt, wenn nicht gar dreifach soviele Menschen am Start.

Und ich auch? Gute Frage. Aber ja, ich kann es mir vorstellen. Dann trainiere ich aber gezielter daraufhin. Denn ich glaube, wenn man es sich angewöhnt hat in wildem Zickzack quer durch den Wald zu hüpfen, über Stock und Stein – dann macht es noch mehr Spaß und man hat vielleicht noch das ein oder andere Auge für die atemberaubende Natur übrig, statt nur darauf zu achten, in der Vertikalen zu bleiben.

Danke Nina, danke SV Bizau, danke Schlussläufer Kurt, danke Stadionsprecher, danke an alle Streckenposten, die so lange auf uns gewartet haben, danke für die tolle Verpflegung und, und, und …

Ich bin stolz sagen zu können: Ich bin Finisherin des 1. Bizau Traillauf 2015.

Nina und ich mit einem Scheibchen Gurke

3 Kommentare

  1. Pinkback: 1. Bizau Traillauf

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