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Knall auf Fall vegan (Teil 2)

„Du musst das lesen“, riss mich meine Mama aus den friedvollen Gedanken an langhaarige, barfüßige Hippie-Veganer. „Das ist unglaublich, was da drin steht. Was wir alles nicht wissen! Ich kann das nicht nacherzählen, aber du MUSST das lesen!“

Wie jetzt? Wissen? Unglaubliches? Das klang anstrengend. Ich wollte doch nur dünn sein und lange Haare haben. Nicht die Welt verändern. Oder vielleicht doch? Das Klicken war ein bisschen lauter geworden. Ich verzog mich also mit Peacefood in mein stilles Kämmerlein und begann zu lesen.

Ich lebe übrigens auf dem Land und bin dort auch aufgewachsen. Wir holten als Kinder die warme Milch direkt beim Bauern nebenan und auch tote Rehe waren für mich was ganz Normales, denn mein Papa ist Jäger. Ich erinnere mich noch, dass ich im Keller war, während er das geschossene Reh ausnahm, wo es dann hing, mit aufgeschlitztem Bauch. Ich streichelte es und sprach mit ihm. Dabei blickte ich in diese wunderschönen, braunen Augen mit den langen Wimpern. Und ich freute mich einfach, dass es da war. Ich habe nicht darüber nachgedacht, wieso es jetzt nicht mehr im Wald herumsprang.
Das war halt einfach so.

Genauso wie Kühe Gras fressen und dann am Ende des Tages Milch geben. Weil sie Gras gefressen haben.
Das war halt einfach so.
Das dachte ich zumindest.

Ich glaube, es war Seite 20 oder 30 – oder vielleicht auch eine andere Seite, ich weiß es nicht mehr – wo ich mit offenem Mund vor dem Buch saß und das Gefühl hatte, jemand hat gerade das Licht angeknipst.

Wie bitte? Kühe geben Milch, weil sie irgendwo ein Kälbchen haben? Das jetzt keine Muttermilch bekommt, damit ich meinen Kakao trinken kann? BITTE?

Ich war so fassungslos – und ja, ihr könnt mich auslachen, wenn ihr das gewusst habt, obwohl das eigentlich noch viel weniger Grund zum Lachen wäre – aber ich war so dermaßen zornig, dass mir das nie jemand gesagt hat! Hätte ich über diese Sachverhalte Bescheid gewusst, hätte ich bewusst mit meinem ganzen Urteilsvermögen entscheiden können, ob ich das weiterhin unterstütze. Aber ich war 31 Jahre alt und hatte keine Ahnung.

Keine. Ahnung.

Und das war es was mich so dermaßen verrückt gemacht hat – und es übrigens immer noch tut – und mein Klicken im Kopf explodieren ließ. Ich fühlte mich schlicht und ergreifend verarscht.
Jeder weiß, wie diese Milch-Sache funktioniert, aber keiner redet darüber. Kuhmilch ist Muttermilch? Ja, und ich wusste es nicht. Mich hat es nur noch geekelt und ich war tieftraurig, weil ich an die Kuh-Kinder und Kuh-Mamas denken musste. Und dann fielen mir die Schreie ein. Habt ihr schonmal eine Kuh gehört, die nach ihrem Baby schreit? Oder umgekehrt? Wie gesagt, ich wohne in einem Dorf. Der nächste Bauernhof ist ca. 100 Meter entfernt. Hier kriegst du alles mit. Alles. Es ist nicht nur das Schweigen der Lämmer, das dir im Kopf bleibt – das Schreien der Kühe ist genauso schlimm.

Das Buch hat natürlich wesentlich mehr als nur 30 Seiten und auch auf den folgenden Seiten entdeckte ich immer mehr Dinge über Massentierhaltung aber auch über Aspekte der Gesundheit, die mich sprachlos machten – und das will wirklich etwas bedeuten! Für mich war es nach dem Lesen von Peacefood schlicht und ergreifend LOGISCH, dass ich Veganerin werde. Werden muss. Alles andere wäre pure Ignoranz der Tatsachen und null Respekt vor dem Leben. Ich konnte das nicht mehr mit mir vereinbaren.

Also wurde ich vegan. Wie gesagt, der Plan war „von heute auf morgen“. In Wirklichkeit dauert es aber an die 6 Monate. In den 6 Monaten erlitt ich Käserückfälle und erlebte Schokoladendramen: Stell dir vor, die einzig im Haus verfügbare Schokolade enthält Kuhmilch und du bist so verzweifelt und gierig auf Schokolade, dass du sogar deinen eigenen Ehemann für nur ein winziges Stück davon verschenken würdest! Ach, es war nicht einfach und dann wurde ich auch noch süchtig! Ich bin nicht stolz drauf, aber ich gestehe es jetzt in aller Öffentlichkeit: ich war abhängig von Manner-Schnitten. Ja, die sind vegan.

Es war ein Auf und Ab. Aber ich war trotzdem stolz auf mich. Zum allersten Mal in meinem Leben hatte ich meine Ernährung drastisch umgestellt und zwar nicht aus egoistischen Schlankheitsmotiven. Sondern für die Tiere und vielleicht ein kleines bisschen auch, um die Welt zu retten, denn das gehört irgendwie alles zusammen. So ein winziges Superwoman-Gen habe ich ja schon in mir. Die Langhaar-Hippie-Veganer waren zu dem Zeitpunkt übrigens völlig vergessen. Ich hatte schwer damit zu tun, mir eine Ernährung anzueignen mit der ich satt wurde und bei der ich nicht nur völligen Unsinn aß, denn auch das geht mit veganer Ernährung.

So tingelte ich also Monat um Monat vor mich hin, mal vegan, mal vegetarisch und ich war immer noch eine gemütliche Couchpotatoe und nahm übrigens kein Gramm ab. Ha, von wegen Veganer sind alle schlank – ich habe das Gegenteil bewiesen! Aber plötzlich fing es wieder an zu klicken in meinem Kopf. Und was dann passierte, wisst ihr: die Sache mit dem Marathon. Zeitgleich dann auch der Entschluss: 100% vegan.

Ich meine, WENN ich schon einen Marathon laufe – und das werde ich früher oder später tun – dann werde ich auch mein Heimatland „Ländle-Milchprodukte-Vorarlberg“ in Erstaunen, Angst und Schrecken versetzen, dass so etwas auch völlig ohne tierisches Doping geht.

Und zum Schluss möchte ich einfach aus tiefstem Herzen sagen:

Ich fühle mich sowas von sauwohl (ja, das ist Absicht!), ich kann und will es gar nicht anders ausdrücken! Mir ging es nie besser, ich habe nie besser gegessen, nie besser ausgesehen. ICH bin jetzt ICH! Und das habe ich zumindest zu 50% meinem Pflanzenfutter zu verdanken. Die andere Hälfte gebührt dem Laufen.

Und ja, ich würde mir doch glatt die Veganblume tätowieren lassen, weil ich weiß, das ist mein Leben. Das Puzzleteil passt; das Klicken hat aufgehört … und falls euch das alles seltsam vorkommt, ihr aber trotzdem interessiert seid: einfach probieren. Tut nicht weh. Im besten Fall kommt ihr auf den Geschmack!

Ich bin dann mal beim Tätowierer 😉

Barfüßige Langhaarveganerin. Mit Salat und Sonnenblumenkernen. So hab ich mir das vorgestellt!

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