Allgemein lauftagebuch

Bin ich hier richtig?

Vor kurzem bekam ich hier auf dem Blog einen Kommentar von einer neuen Leserin, die sich innerhalb einiger Tage meinen kompletten Blog durchgelesen hat. Ist es nicht toll, dass Menschen das tun? Ich bin ganz entzückt, ehrlich.

Sie schrieb mir auch ganz entzückend, wie ihr mein Blog gefällt und dass sie jetzt zum Ende hin bei den letzten Blogartikeln fast ein wenig schockiert ist, dass mein Leben ein wenig aus den Fugen geraten ist und ich nicht mehr richtig hier bin.

Das brachte mich doch glatt wieder ein wenig zum Nachdenken … es gab ja in den letzten 5 Jahren doch immer wieder Phasen, in denen ich ein wenig „verschwunden“ bin. Sei es aus Frust durch Sportverbote oder allgemeine Unlust und Planlosigkeit.

Und was haben diese Abstinenz-Phasen alle gemeinsam?

Ich bin danach immer wieder zurückgekommen. Hierher. Mal mehr, mal weniger intensiv. Und ja, es haben sich Dinge verändert. Viele Dinge. Ich habe zum Beispiel nicht mehr diesen großen Berg an Übergewicht vor mir, den ich abwerfen will. Gewicht hält sich nämlich relativ locker. Pendelt immer mal so 4-5 kg hin oder her, aber hält sich. Die krass-großen Veränderungsschritte von einem Nicht-Laufmensch zu einem Lauf-Mensch sind auch erledigt. Die Umstellung von der Leberkäs-Fetischistin zur Tofu-Tussi – ebenfalls geglückt. Die großen Meilensteine sind irgendwie abgehakt.

Oder?

Ich war gestern wieder beim meinem Physio-Philosophen Jürgen. „Die logische Konsequenz wäre ja gewesen, dass du Marathon läufst, voll in die Ultra-Szene einsteigst und dann vielleicht mit Berg-Marathons beginnst“, meinte er, als wir so von meiner Entwicklung bzw. Stagnation sprachen.

Ich überlege, sehe Bilder in meinem Kopf … Judith, gazellengleich (oder besser gams-gleich) die alpine Bergwelt erklimmend … Sprung für Sprung … ein dezenter Schweißfilm – selbstverständlich äußerst wohlriechend – liegt auf dem durchtrainierten Körper … Jürgen zieht an meinem Bein und mir wird mal wieder äußerst schmerzhaft bewusst, dass Bergmarathons sowie kurze Spaziergänge jeglicher Art gerade sehr weit weg von meiner Realität sind.

Ich bin nicht mal ansatzweise durchtrainiert, alles ist weich (hach, kann ja auch schön sein, finde ich), Gazelle oder Gams, nö, irgendwie auch nicht … okay, beim Schweißfilm kann ich mithalten, kein Wunder bei der Hitze die letzten Tage.

Aber ich glaube inzwischen ganz ehrlich, dass darin das größte Abenteuer des Lebens liegt: seinen Alltag zu meistern. Und zwar auf eine Art & Weise, die einem ehrlich taugt und Spaß macht. Wo man zu sich selber sagt: Ja, verdammt – genauso muss das Leben sein!

Und wenn das mal mit Vollgas die Achterbahn runtergeht … na und? Ich fühle mich eigentlich nicht wie in einem Loch und „aus den Fugen geraten“ (ok, ein bisschen hin und wieder). Es fühlt sich mehr an, als ob ich wieder am Anfang stehe.

Und Anfänge sind geil. Wirklich. Man weiß nicht, was passiert. Man weiß nicht, zu welchen Leistungen  man fähig ist, welche Leute einem auf dem Weg nach wohin auch immer begegnen … es ist spannend!

Deswegen: Ja, ich bin hier richtig. Immer noch. Und immer wieder. Keine Ahnung, ob ich jemals einen Marathon laufe, einen Berg erklimme – oder beides zusammen. Aber ich weiß, dass ich mir nachher mein Theraband um die Beine wickle und so tue, als wäre ich ein Pendel, das von einem Bein aufs andere schwingt. Weil Jürgen denkt, dass das meiner schlafenden Pobacke gut tut … und der muss es ja wissen. Und ich weiß, dass ich die nächsten Wochen ein paar neue Dinge ausprobiere, auch in Sachen Ernährung & Smoothies, um mich wieder in den Wettkampf-Trainings-Mode zu bringen. Völlig nebensächlich, ob ich wirklich dafür trainiere – aber das Gefühl zu haben, das alleine ist mehr wert, als sämtliche Tatsachen dieser Welt.

Zusammenfassend könnte man sagen: Auch wenn es vielleicht so aussieht, als wäre alles außer Rand und Band und nix geht so richtig vorwärts -> doch, tut es. Mini-Schritte, Pendelbewegungen, Rückwärts-Saltos, Niederschläge, Regenbögen, Aufwärtshaken … alles mit dabei. Und ich glaube ganz ehrlich, viel mehr von uns kämpfen genau mit diesen Dingen als mit den Herausforderungen eines Bergmarathons. Und deswegen überlasse ich diese Thematik auch sehr gerne denjenigen, die das draufhaben – dafür meinen größten Respekt. Ich lerne in der Zwischenzeit in meinem Alltag mit dem Flow zu gehen und mich dennoch oder gerade deswegen wie eine Superheldin zu fühlen. Und wenn mir mein normales Leben dann doch mal zu langweilig wird … ja, dann heißt es vielleicht: Der Berg ruft.

Aber soweit bin ich noch lange nicht. Vielleicht mach ich euch mal ein Video von der Pendel-Übung … sieht bestimmt lustig aus. Happy Donnerstag, ihr Lieben und genießt euren Abenteuer-Alltag. Das Leben ist viel zu aufregend, um es nicht zu genießen.

Eure Judith,
die am 1. des Monats einen Blogartikel geschafft hat – yeah!!! Ich bin definitiv richtig hier.

 

 

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