lauftagebuch

Was denn sonst?

Ein Gasteintrag von Bernd Riemer

An einem schönen, sonnigen Nachmittag in der vergangen Woche fasste ich den Entschluss, einen Bergtrail zu laufen. Einfach weil ich laufen wollte.

Und wer schreibt diese Zeilen? Es ist der Mann hinter der Turtelläuferin.
Ich habe mich bis jetzt noch nie zu Wort gemeldet aber heute hatte ich ein Erlebnis, das mich den ganzen Rückweg nicht mehr losgelassen hat und das ich gerne teilen möchte.

Das letzte Wort

Als ich mich von Judith verabschiedete – mit den Worten „Ich laufe unseren Hausberg und bin gleich weg“ – sagte sie mir Tschüss und arbeitete weiter an ihrem Buch, das sie gerade mit ihrer Freundin am Telefon besprach. Beiläufig erwähnte sie “… Bernd geht jetzt und läuft unseren Hochberg mit 1059m hoch“. Natürlich musste ich sie berichtigen, denn der Berg ist 1069 m hoch. Wer schon mal aus 10 Metern Höhe auf den Boden sah, weiß dass das ganz schön hoch ist. Zehn Meter sollte man nicht einfach so unterschlagen. Natürlich hatte meine Frau wie immer das letzte Wort, und ich bekam natürlich wie immer nicht recht.
Also brauchte ich Beweise, ein Foto mit dem Gipfelkreuz war das Mindeste. Nun lief ich also los und war zügig unterwegs auf der Straße in unser Dorf.

Einseitige Gespräche

Da sah ich aus dem Augenwinkel, dass sich ein Rennradfahrer von hinten näherte. Natürlich habe ich sofort das Tempo erhöht, man(n) muss ja … Na ja, das ist so ein Urzeitding!
Der Radfahrer holte mich dennoch ein, erkannte mich als ehemaligen Arbeitskollegen und begrüßte mich strahlend. Natürlich mit der Frage: „Wie? Duuuuu läufst?“ Ok, er kannte mich nur als rauchenden Nichtsportler. Seine zweite Frage war: „Ist das deine Frau, die ständig in der Presse ist?“ Ich nickte nur, rannte immer noch viel zu schnell. Er beschleunigte ebenfalls und sagte: „Sag deiner Frau, Respekt echt toll!“ Und ich dachte mir: super, wer rennt denn hier eigentlich den Berg hinauf – sie oder ich? Zum Reden fehlte mir aber definitiv die Luft. An dieser Stelle sei gesagt ich bin natürlich superstolz auf meine Frau und ihre Erfolge.

Von gefährlichen Müttern und schweren Kindern

Aber jetzt zum eigentlichen Grund warum ich hier meinen Lauf beschreibe. Ich kämpfte mich hoch bis auf 1030m. Zur Erinnerung: Es ging mir um die tatsächliche Höhe des Hochbergs mit Beweisfoto. Als ich an das Tor der Kuhweide kam, die zum Gipfelkreuz führte, standen alle Kühe auf der Weide bereit zum … ja, wozu eigentlich?

Etliche Hinweisschilder warnten mich vor den Wiederkäuern. „Betreten auf eigene Gefahr“, „Mütterkühe beschützen ihre Kälber“ (echt jetzt? das überrascht mich), „Ruhig verhalten“, „Hund an die Leine“, „Achtung Mutterkuh“.

Mein Gedanke war natürlich “Mist, und ich muss da durch und unter Einsatz meines Lebens ein Foto machen“. Vor mir in Sichtweite das ersehnte Gipfelkreuz. Also öffnete ich das Tor in Zeitlupe und ging todesmutig in die Arena der Mütter und Kinder. Man muss natürlich sagen, dass jedes einzelne dieser zierlichen Kinder locker ein paar 100 Kilogramm auf die Waage bringt.

Für fünf Meter brauchte ich etliche Minuten, um dann vor einer Kuh (MAMA?) zu stehen, eingekeilt zwischen anderen großen Tieren. Es war sehr beeindruckend, diesen äußerst gefährlichen Vierbeinern auf Augenhöhe zu begegnen. Also setzte ich die ultimative Waffe ein. Die, bei der eigentlich alle Reißaus nehmen und sich schütteln vor Angst. Angst vor Ansteckungsgefahr und Mangelerscheinungen.

Vegan? Klar, was denn sonst?

Ich gab der Kuh zu verstehen: „Ich bin VEGANER!“ Sie hob ihren Kopf und in ihren Augen stand die Botschaft ganz klar: „Was denn sonst?“ Sie ging zur Seite und ließ mich passieren. Das hat mich schwer beeindruckt.

Übrigens: der Hochberg ist natürlich 1069 Meter hoch. Ich wusste doch, dass ich recht habe. Und diesmal habe ich das letzte Wort. 

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