Vor kurzem bezeichnete mich Journalistin Susi Donner in einem Zeitungsartikel als „Wind- und Wetterläuferin“ und Künstlerin Christine Vollmar nannte mich „mentales Doping“.
Doch wie komme ich eigentlich zu der Ehre? Es ist tatsächlich so, dass ich bei Wind und Wetter laufe. Dieses Jahr lief ich schon im Schneesturm, bei Hagel, bei Regen- und Windböen. Ich lief knöcheltief im Schnee. Schlamm- und Wasserpfützen hab ich bisher auch noch keine ausgelassen. Wie komme ich überhaupt auf die Idee bei solchen Wetterverhältnissen rauszugehen? Ganz einfach:
Es steht in meinem Kalender. Ich habe einen Trainingsplan und einen Trainer. Einmal in der Woche legen wir fest, an welchem Tag, ich welche Einheit absolviere. Das schreibe ich dann von Hand in meinen Kalender. Wenn am Montag 50 Minuten Fahrtspiel geplant sind, dann laufe ich diese 50 Minuten. Egal, welches Wetter ist. Ich tue es einfach. Weil es im Plan steht.
Vielleicht würde ich lieber etwas anderes machen. Zum Beispiel mich auf die Couch mümmeln und ein Buch lesen oder mich in die Badewanne legen. Hauptsache, ich muss nicht raus in die raue Natur. Aber es ist egal, was ich will. Wieso ist das egal?
Man soll doch auf seinen Körper hören!
Das ist richtig. Dazu sollte der Körper aber in der Lage sein, zu erkennen, was gut für ihn ist. Ich nehme mich mal stellvertretend für viele andere Menschen: ich habe mich lange Zeit daran gewöhnt, etwas gut zu finden, was mir eigentlich nicht gut tut. Mein Körper ist für Bewegung gemacht. Als Kind war ich ständig draußen, bin gerannt. War außer Puste, hatte Herzklopfen vom Laufen, die Haare klebten im Gesicht, die Wangen gerötet von der frischen Luft. Mein Körper liebte es, draußen zu spielen, zu rennen, sich zu bewegen.
Irgendwann habe ich mir angewöhnt, nicht mehr zu laufen.
Ich habe mir angewöhnt, mehr Zeit drinnen zu verbringen. Ich habe mir angewöhnt, es gut zu finden, auf der Couch zu sitzen. Fernzusehen. In den Bildschirm des Computers zu schauen. Und langsam, heimlich, still und leise verkehrten sich die Dinge ins Gegenteil. Jetzt fand mein Körper es ziemlich gut, rumzuliegen. Sich nicht viel zu bewegen. Müde zu sein. Zu schlafen. Sich ruhig zu verhalten.
Und darum ist es egal, was ich momentan will.
Denn dieser temporäre Wunsch nach Inaktivität und Bequemlichkeit entspringt einem langen Gewöhnungsprozess und nicht meinem ursprünglichen Bedürfnis nach Bewegung. Dieses ursprüngliche Bedürfnis werde ich wieder ausgraben. Wie? Mit Geduld, Beharrlichkeit und einem Trainingsplan. Schritt für Schritt. Denn das Interessante ist: Ich habe noch keinen einzigen meiner Läufe bereut. Keinen einzigen. Im Gegenteil, ich habe Dinge erlebt, die ich zuhause auf der Couch niemals erlebt hätte! Die besten Läufe fanden beim miesesten Wetter statt.
Und die Gelegenheiten, in denen ich denke, ich möchte das jetzt nicht tun, die werden immer weniger. Wie eine Stimme, die langsam heiser wird und irgendwann verklingt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich nächstes Jahr, wenn ich mal wieder durch Wind und Wetter laufe, und mich jemand fragt, wieso ich das tue, antworten kann: Weil ich das brauche. Weil mein Körper das braucht. Weil es Spaß macht!
Es gibt übrigens eine Situation, in der es nicht egal ist, was ich will. Und zwar dann, wenn ich krank bin. Sei es eine Erkältung oder eine richtige Grippe. Wenn ich krank bin, laufe ich nicht. Nur mittlerweile kenne ich den Unterschied zwischen „mir geht es nicht gut“ und „ich habe keine Lust“ sehr gut und entscheide dementsprechend.
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