Die letzte Nacht vor dem Reschensee-Lauf. Morgen ist es soweit. 15 Kilometer rund um den schönen See. Vorfreude ist die schönste Freude und so hätte ich die letzten Wochen zwischen Training und Vorfreudentaumel verbringen können. Habe ich aber nicht.
Training ja, Freudentaumel weniger. Erst war da die Sache mit den Zehen, die meinen Orthopäden in Angst und Schrecken versetzte. In der Zwischenzeit hat es sich übrigens beinahe in Wohlgefallen aufgelöst: ich war bei der Fußpflege sowie beim Hautarzt. Beide meinen, dass sich das Wachstum meiner Zehennägel verändert hat durch das viele Laufen = kein Pilz, nur seltsame Deformation. Die jetzt auch Geschichte ist, da die Fußpflegerin alles wieder in Form gebracht hat. Nagel gut, alles gut. Oder?
Ich bin für Oder. Die letzten zwei Wochen war ich extrem reizbar, hatte selten Spaß am Training, schlief schlecht und war allgemein ein kleines bis mittelgroßes Pulverfass. Mein rechtes Knie schmerzte aus unerklärlichen Gründen (vorwiegend nachts) und meine linke Körperhälfte war seit den ersten kläglichen Seilspring-Versuchen in eine Art Schockstarre gefallen. Ich konnte den Kopf nicht mehr richtig drehen ohne Schmerzen zu haben und der untere Rücken zwackte beim geringsten Versuch mich zu bücken. Alles halb so wild, sowas vergeht. Hin und wieder hat man halt sowas. Da braucht’s nur ein wenig Pause, ein wenig Dehnen, ein bisschen cremen, … bla bla bla … ich ging stattdessen zum Intervall-Training. Neue Strecke. Mitten im Wald. Noch nie gelaufen. Wunderschön. Wirklich wunderschön.
Mitten im 4. Intervall, mitten in diesem wunderschönen Wald, blieb ich abrupt stehen und brüllte: „Stop!“ Ich wollte nicht mehr. Nicht heute. Nicht dieses Training. Nicht in diesem wirklich wunderschönen Wald. Aus. Vorbei. Trotzig ignorierte ich meinen Garmin, der ständig piepste, ich solle schneller laufen. Ich fühlte mich stocksteif wie ein Brett. Ich fühlte mich unwohl in meiner eigenen Haut. Da nutzt der beste Trainingsplan nichts, so macht es keinen Spaß. Und ohne Spaß … ohne mich. Grantig marschierte ich nach Hause. Beschloss, nie wieder einen Fuß vor die Tür zu setzen. Nie wieder an einem Rennen teilzunehmen. Nie wieder Blog zu schreiben. Kurz gesagt: ich war mal wieder Drama-Queen. Muss auch ab und zu sein.
Am nächsten Tag, nach einigen guten Gesprächen mit einer Freundin, die solche Phasen zur Genüge kannte, vereinbarte ich einen Termin bei meinem ehemaligen Physiotherapeuten Norbert. Heute morgen war ich bei ihm. 60 Minuten lang funktionale Osteopathie. Meine Arme und Beine wurden „geschubst“, wie er das so gerne nennt, alles wurde mobilisiert, gelockert und in die richtige Stellung gebracht. Zuhause, nach ungefähr einer Stunde, bemerkte ich, dass ich mich irgendwie locker fühlte. Man könnte fast schon sagen: ich fühlte mich gut.
Ich fühlte mich. Wieder.
Es ist ein schwer zu erklärendes Gefühl, aber ich hatte irgendwie das Gespür für mich und meinen Körper verloren in den letzten Tagen. Jetzt ist es wieder da. Und es ist schön, dass es wieder da ist.
Hat mich dazu bewogen, heute gleich mal eine Riesentasche für den Reschenseelauf zu packen, Unmengen an veganem Treibstoff vorzubereiten, Klamotten herzurichten und mich tatsächlich auf die morgigen 15 Kilometer zu freuen. Unglaublich was für Auswirkungen so eine verdrehte Statik auf den Alltag, die Laune, ach was, auf ALLES hat. Habe beschlossen, mich regelmäßig wieder „hinbiegen“ zu lassen. Außerdem beschlossen: Pause machen, wenn Körper Pause verlangt. Egal, was im Plan steht.
Letzter Beschluss des Tages:
Morgen 15 Kilometer Spaß haben mit fünf tollen Mädels, die mit mir dort hinfahren.
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