lauftagebuch

Zünd dein Licht an und lauf.

Ach, was bin ich müde – es ist eigentlich schon mitten in der Nacht, oder zumindest sehr spät. Ich sollte schlafen, der Wecker klingelt früh und trotzdem habe ich mich heute so dermaßen selbst überrascht, dass ich keine Ruhe mehr finde. Genaugenommen habe ich mich selbst erschreckt, weil ich etwas getan und gesagt habe, was ich nicht von mir erwartet hätte – zumindest nicht heute. Ist jetzt auch egal, ich erzähl’s wenn ich soweit bin. Im Moment bin ich noch in der Schockstarre.

Jedenfalls war ich abends zuhause und hatte mir vorgenommen zu laufen. Im Dunkeln. Da die liebe Melanie per Facebook gefragt hatte, wer heute mitläuft im Dunkeln, hab ich mal spontan „Ja“ geschrien, auch wenn sie Hunderte von Kilometern weit weg wohnt. Ich meine, das ist ja heutzutage nur noch eine Lappalie. Dank Selfies, Pulsmesser-Plattformen, GPS und so weiter und so fort können wir uns ja ständig gegenseitig überwachen bzw. begleiten.

Dann lief ich also los. Alleine. Im Dunkeln. Nur die Stirnlampe und ich. Es war mir so ein großes Bedürfnis zu laufen, dass ich einfach nicht anders konnte. Mein Kopf war voll, mein Magen nervös, meine Beine zitterten – ich hatte da wohl etwas ins Rollen gebracht und jetzt musste ich den Stress rauslaufen und das seltsame Gefühl, das ich mir selbst verschafft hatte. Eigentlich wollte ich auf dem beleuchteten Weg laufen und als ich an die Abzweigung kam, bei der ich mich entscheiden musst, wohin ich laufe – wählte ich zu meiner eigenen Überraschung plötzlich den stockfinsteren Wald!

Zur Erinnerung: ich war immer noch ganz alleine. Aber ich hatte einfach das Gefühl, dass ich genau dorthin laufen musste, wo meine Angst saß. Dorthin, wo’s dunkel ist. Also lief ich dahin. In den Wald. Ins Finstere. Es war erst komisch, aber irgendwie hatte ich auch das Gefühl, dass es noch nicht reichte. An den Stellen, an denen der Weg am finstersten war, knipste ich mein Licht aus und blieb stehen (was war eigentlich heute los mit mir?). Und dann atmete ich einfach so ruhig wie möglich vor mich hin. Anfangs bekam ich fast keine Luft, vor lauter Angst. Aber dann ging’s besser. Ich bemerkte, dass die Nacht gar nicht so dunkel war, wie ich erst dachte. Ich spürte, dass es eigentlich nicht unheimlich war, nur ungewohnt. Und dann folgte ich meinem nächsten Impuls, der plötzlich in meinem Kopf war: „Zünd dein Licht an und lauf!“

Und so lief ich über vier sehr dunkle und düstere Kilometer. Mit viel Angst und viel Mut. Es war wohl der seltsamste Lauf, den ich bisher gemacht habe. Vielleicht weil er so symbolhaft war. Ich habe heute etwas getan, was mir Angst macht und gleichzeitig bin ich direkt in die Angst hineingelaufen. Das war irgendwie spannend und ich kann es nur einmal mehr sagen: Laufen ist für mich so viel mehr als Sport, Training oder Bewegung. Das wird dem einfach nicht gerecht. Laufen ist mehr. Laufen ist mein Leben. Alles andere ist mir inzwischen zu wenig.

Ich muss jetzt schlafen und nachdenken und schlafen. Auf jeden Fall schlafen. Aber die Essenz des Tages wird für mich bleiben: Wenn du Angst hast vor der Dunkelheit, dann geh mitten rein, atme tief ein, zünd dein Licht an und lauf weiter.

Wozu in der Dunkelheit verweilen, wenn man laufen kann?

Für heute sende ich ein paar kryptische Grüße einer nachdenklichen Judith und danke Melanie, ohne die ich heute vielleicht gar nicht zu diesem merkwürdigen Lauf aufgebrochen wäre.

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